Die Akte Kachelmann by Thomas Knellwolf

Die Akte Kachelmann by Thomas Knellwolf

Autor:Thomas Knellwolf
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Orell Fuessli Verlag
veröffentlicht: 2011-05-14T16:00:00+00:00


Staatsanwalt Oltrogge scheint das erneut wenig glaubhaft. Er redet der Frau, die ihm gegenübersitzt, ins Gewissen: «Frau A., Ihnen muss klar sein, dass dann, wenn es wieder nicht stimmt, Sie in Teufels Küche kommen.» Auf Sonja A. wirkt Oltrogge aggressiv, fordernd, böse. Der Staatsanwalt, wird sie behaupten, habe sie eingeschüchtert. Oberstaatsanwalt Gattner wird aussagen, sein Mitarbeiter sei «nachdrücklich und engagiert» gewesen. «Ich weiß», wird Oltrogge seinerseits ausführen, «dass ich auf mein Gegenüber oft aggressiver wirke, als ich mich selber empfinde.» Er führt dies auf seine helle Stimme zurück, weniger auf die Drohung mit «des Teufels Küche».

«Aber es stimmt doch!», hat Sonja A. darauf erwidert. Trotzig wirkt sie dabei. «Ein kleines Kind hätte jetzt aufgestampft» – so wird Oltrogge ihre Reaktion auf seine rustikale Belehrung beschreiben. Er fragt weiter: «Wann wussten Sie das von der Beziehung?» Lena G., sagt Sonja A., habe immer schwammig geantwortet. Doch in ihrer letzten Facebook-Antwort, jener vom 13. Januar 2010, stand, die Beziehung dauere an. Da, so schildert es die Hauptbelastungszeugin gegen Jörg Kachelmann nun, habe sie gedacht, gehofft, es sei eine Behauptung. Sie habe es nicht ernst genommen. Nicht wahrhaben wollen. «Von Jörg aus», ergänzt sie noch, «hatte ich auch keine Anhaltspunkte. Er war so zukunftsorientiert. Wir hatten so viele Pläne.»

Dann sagt sie noch: «Ich schäme mich, dass ich die falschen Angaben gemacht habe.» Lars-Torben Oltrogge diktiert fürs Protokoll, was Sonja A. eben eingestanden hat. Während er ihre Worte wiederholt, hört er ein Schluchzen.

Die Staatsanwälte kommen auf den sonderbaren Brief mit dem Satz «Er schläft mit ihr!» zu sprechen. Sonja A., eben der Lüge überführt, behauptet steif und fest, sie habe ihn im Briefkasten gefunden, am Montag, vor der Tatnacht, am späten Nachmittag, so zwischen fünf und sechs Uhr, als sie zurückkam vom Einkaufen bei Aldi. Oder war sie bei Lidl? Oltrogge glaubt ihr kaum ein Wort und blufft: «Wenn der Brief beispielsweise in Ihrer Firma erstellt worden wäre, so prüfen wir die Drucker und finden auch das raus.»

Doch Sonja A. bleibt standhaft: «Ich habe den Brief wirklich erst am 8. Februar bekommen.» Die Ermittler belehren die Zeugin noch einmal «eindringlich». Wie sie das im Detail tun, wird niemand überprüfen können, denn es existiert keine Tonbandaufnahme der Vernehmung und nicht einmal annähernd ein Wortlautprotokoll.

Die Staatsanwälte konfrontieren Sonja A. mit einem neuen Ermittlungsergebnis, von dem sie noch überhaupt keine Ahnung hat: Auf dem Brief ohne Frankierung fanden sich keine Fingerabdrücke eines oder einer unbekannten Dritten, die oder der den Umschlag eingeworfen habe könnten. Vorhanden sind nur Spuren einer einzigen Frau und eines einzigen Mannes: von Sonja A. und von Jörg Kachelmann. Trotzdem sagt Sonja A. «Ich bleibe dabei. Es war wirklich so, wie ich es gesagt habe.»

So kommen wir nicht weiter, denkt sich Lars-Torben Oltrogge. Wenn sie jetzt weiterlügt, dann ist es vorbei. Der Staatsanwalt unterbricht die Vernehmung. Er zieht sich in sein Büro zurück, zusammen mit seinem Vorgesetzten. Sonja A. und ihr Anwalt bleiben in Oskar Gattners Dienstzimmer zurück. Die Staatsanwälte holen sich Kaffee oder Wasser und diskutieren die weitere Vernehmungstaktik. Viel mehr Handfestes, was sie Sonja A.



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